Test Tesla Model S P100D vs. Dodge Charger Hellcat: Elektro-Sportwagen und V8-Muscle-Car in Hockenheim (2024)

  • 2 Motorenkonzepte
  • Tesla-Batterie
  • Beschleunigung
  • Von-Sinnen-Modus
  • Dodge Charger in Hockenheim
  • Tesla Model S in Hockenheim

Das hier ist nicht nur ein Vergleichstest, nicht nur das Duell zweier amerikanischer Autohersteller, sondern der Kampf Gut gegen Böse – wobei die Verteilung der Rollen stets von der individuellen Gesinnung abhängt. Denn die mobile Welt ist zurzeit tief gespalten. Das eine Lager, jenes der Progressiven, beschwört den Paradigmenwechsel, verehrt die automobile Elektrifizierung als Allheilmittel und würde den Verbrennungsmotor am liebsten auch für hartnäckigen Fußpilz verantwortlich machen.

Zwei Antriebswelten prallen aufeinander

Die andere Seite teufelt zurück, moniert Augenwischerei, politischen Reaktionismus, zurechtgerechnete Energiebilanzen und fragt sich – vielleicht nicht zu Unrecht –, wie die designierte Klimaproblemlösung in Gestalt des E-Autos infrastrukturell umgesetzt werden soll. Wo der Strom dafür herkommt, wo die Ladesäulen hinsollen, oder ob demnächst aus jedem Mietshausfenster Verlängerungskabel zur Straße hinunterbaumeln. Antwort: Schulterzucken! Fest steht aktuell nur eines: Es wird nicht so weitergehen wie bisher, und vielleicht wissen wir nur noch nicht, wofür das alles eines Tages gut war. Denn schließlich – Zitat – entstand elektrisches Licht seinerzeit ja auch nicht durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Kerzen.

Jetzt aber Schluss mit der Gemüterbeschwichtigung. Auftritt Dodge Charger Hellcat und Tesla Model S P100D. Sie sind die Gegenteile des Mittelwegs, die extremsten Ausprägungen ihrer jeweiligen Religion, dabei aber sehr verschieden in ihrer Art, sich darzustellen. Der Dodge erinnert immer ein bisschen an diese Filmschergen, wie man sie aus Mafiakomödien kennt. Ja genau, diese Muskelberge mit Stiernacken, finsterem Blick, Ungeheuer-Tattoos und überschaubarer Komplexität, die permanent dem Bandenboss hinterherdackeln, in Anführungsstrichen Probleme lösen, dabei aber überaus unterhaltsam sind.

Ganz anders das Tesla Model S P100D. Dem äußeren Anschein nach ist er die Unschuld in Person, eher einer von jenen, die zurückziehen statt zu provozieren. Er geht listig vor, hochtechnisch, aber eiskalt. Oder um im Bild zu bleiben: Er ist dieser Oberschurkentyp, der die Katze krault.

Der einzige Berührungspunkt liegt am Ende völlig entgegengesetzt verlaufender Antriebskonzepte. Der Charger Hellcat folgt dem ur-amerikanischen Prinzip, das zwangsläufig in einem Achtzylinder wurzelt und der alten Weisheit gehorcht, dass Hubraum zwar durch nichts zu ersetzen ist, sich durch Aufladungsmaßnahmen aber sehr wohl in seinen Auswirkungen vergrößern lässt. Das verstörende Ergebnis dieser Kombination aus 6,2 Litern und einem monströsen Kompressor sind 717PS – beziehungsweise 527 kW, um es gleich mal in die Währung des Model S umzurechnen.

Tesla Model S P100D leistet 450 kW

In seiner höchsten Ausbaustufe, dem P100D, leistet der Tesla 450 kW, an deren Entstehung zwei E-Motoren beteiligt sind. Der kleinere sitzt im Bug, der größere an der Hinterachse, wodurch sich ein heckbetontes Allradsystem konstituiert, das bei der Entfaltung des enormen Kraftpakets durchaus hilfreich ist.

Doch zuerst waren einige Hürden zu nehmen, die wir in der Form vorher gar nicht überrissen hatten. Die niedrigeren waren jene der eigenen Unfähigkeit, wie zum Beispiel der Mangel an Erfahrung, der darin gipfelte, dass wir das Model S zunächst nicht von seiner Ladebuchse abgenabelt bekamen, an der es vom Lieferservice angestöpselt wurde.

Aber es gab eben auch größere Hürden, messlogistischer Natur. Unser Terrain zur Datenerhebung ist Hockenheim, das wissen Sie. Und Sie wissen vielleicht auch, wie das dort abläuft. Wir fahren hin, tanken randvoll, wiegen und arbeiten uns dann Stück für Stück durchs Protokoll. Erst bremsen, dann beschleunigen, wieder bremsen, Elastizität, Slalom und am Schluss – nach einer Regenerationsphase – die Rundenzeit. Und gemäß dieser Rezeptur sollte auch das Tesla Model S P100D im Test verarztet werden. Problem: Es gibt zwar reichlich Super Plus in Hockenheim – nur eine Schnellladestation, die seinen 100-kWh-Akku zügig vollpumpt, die gibt es (noch) nicht. Also haben wir ihn schon am Abend vorher an die Strecke verschafft, haben ihn in eine Box gesperrt und über Nacht am Hausstrom nuckeln lassen. So weit, so gut.

Beschleunigungsduell geht an Tesla

Anders als beim Dodge Charger Hellcat jedoch, dessen Leistungsfähigkeit im Verlauf des Messprozederes konstant bleibt beziehungsweise sich wieder erholt, wenn man Hitzewallungen zwischendurch mal abzieht, baut der Tesla mit schwindender Batteriekapazität zunehmend ab. Optimale Performance steht nur in einem Ladezustand zwischen 80 und 90 Prozent zur Verfügung. Und auch wenn die Akkus das Testmartyrium tapferer durchstanden als gedacht, ließ sich nicht verhindern, dass sie irgendwann unter diesen Idealbereich absackten. Konsequenz: Die Ergebnisse sind beeindruckend, aber nicht so sensationell wie offiziell angegeben. In 3,2 Sekunden zoomt sich das 2.275 Kilo schwere Model S von 0 auf 100, wobei er dem Charger 1,2 Sekunden aufbrummt, am Ende aber fünf Zehntel hinter seiner Werksangabe hängt.

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Rossen Gargolov

Bei der Beschleuniging zieht das Model S den Rivalen mit V8-Kompressor locker ab.

Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang wissenswert. Erstens verweist Tesla im Kleingedruckten seiner Homepage darauf, dass die Werksangabe von 2,7 Sekunden nach dem Motor-Trend-Verfahren ermittelt wurde, bei dem die Zeit erst einen Foot, also gut 30 Zentimeter, nach dem Anfahren zu laufen beginnt. Kleinvieh ja, aber das macht bekanntlich auch Mist.

Das Model S muss erst einmal aufheizen

Zweitens steht die Maximalbeschleunigung im Tesla Model S P100D nicht immer parat, sondern muss erst aktiviert werden – in einem Untermenü des sogenannten Von-Sinnen-Modus. Hintergrund: Die Batterie braucht eine bestimmte Temperatur, um vollen Saft in die E-Motoren pressen zu können. Und diese Temperatur muss erst hergestellt werden, was in unserem Fall eine geschlagene Viertelstunde dauerte. Mal ketzerisch gefragt: Wer investiert denn 15 Minuten, um vielleicht eine halbe Sekunde einzusparen? Sorry, aber das ist nicht nur komplett realitätsfremd, sondern auch ein Indiz dafür, wie sehr sich der Tesla für Publicity verrenkt.

Dabei macht er vieles so viel Wichtigeres so lässig. Alltag zum Beispiel, selbst unter emotionalen Gesichtspunkten. Das übergroße ZentralTouchpad mit seinen fitzeligen Buttons und Menüs erfordert anfangs zwar eine gewisse Eingewöhnung, das Fahren als solches jedoch flutscht sofort. Reinsetzen, den Lenkstockhebel auf D klicken, und das Tesla Model S P100D schleicht los.

Die Rekuperationsverzögerung beim Gaswegnehmen hat man nach der dritten Ampel drin, der Schub jedoch, diese permanent abrufbare Drehmoment-Massiventladung, fasziniert immer wieder aufs Neue – und ja, selbst im Vergleich zum Dodge Charger.

Dodge Charger Hellcat mit 881Nm Drehmoment

Trotz heftiger Aufladung muss sich dessen Motor mächtig reinknien, muss Massen rotieren lassen, strampeln, bis sie irgendwo bei 4.000/min mal da sind, diese 881 Newtonmeter. Die E-Maschinen des Tesla hingegen dimmen die Kraft entsprechend der Fußbewegungen einfach an oder aus. Ansatz- und mühelos, perfekt dosierbar und bis auf ein leichtes Wimmern aus dem Untergrund ohne Radau.

Letzteres jedoch ist so ein bisschen das Problem für uns Gaskranke. Nicht nur, dass sich durch den Wegfall des Motorengebrodels andere Geräuschquellen bemerkbar machen. Wind zum Beispiel oder Fahrwerksgepolter. Auch die Wirkung von Geschwindigkeit ist ehrlich gesagt stimulierender, wenn dir ein Großvolumer im Takt dabei das Trommelfell durchmassiert.

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Hach ja, der Dodge Charger Hellcat. Von ihm hatten wir uns insgeheim eigentlich erhofft, dass er es dem Model S mal richtig zeigen würde. Dass er beweisen würde, welch einfache Mittel doch genügen, um das Eindringen der Next Generation in unsere heile Sportwagenwelt aufzuhalten – zumindest für ein Weilchen noch. Leider hat er mit sich selbst jedoch schon mehr als genug zu tun.

Hackstückelei aus Quertrieb und Untersteuern

Natürlich hat der Charger Charme, natürlich geht er im Test ab wie eine tollwütige Wildsau, hat Power von recht früh bis alles zu spät. Der Dodge Charger Hellcat liegt sogar ganz gut, auch bei hohem Tempo, und ja, es ist schon auch ein bisschen geil, wenn bei Vollgas im vierten Gang noch die Räder durchdrehen. Sobald man ihn jedoch fordert, also ich meine so richtig fordert, klappt er zusammen – buchstäblich und komplett.

Beim Beschleunigen, wenn man ihm die Motorkraft in den matschigen Wandlerautomaten presst und dann die Bremse löst, reißt der Vortrieb derart an der Hinterachse, dass sie übel ins Schlackern gerät. Und zwar derart, dass man Sorge hat, ihre Trümmer gleich von der Messbahn sammeln zu müssen. Und so geht’s dann weiter. Die labbrige Lenkung vermittelt das Gefühl, sie sei mit Einweckgummis an die Räder geknotet. Die schnelle Runde ist eine wüste Hackstückelei aus plötzlichem Quertrieb und kolossalem Untersteuern, wobei das eine immer dann ausbricht, wenn man das andere bräuchte.

Und dann, als du gerade denkst, es könne ja nicht mehr viel schlimmer kommen, steigt auch noch die Bremse aus. Zwei schnelle Runden, und plumps – auf einmal fällt ihr Pedal zu Boden. Restverzögerung: nullkommagarnix, woran die einzig gute Nachricht ist, dass die Auslaufzonen in Hockenheim stellenweise sehr großzügig bemessen sind. Die Ursache? Wahrscheinlich die antike Bremsflüssigkeit des Standards DOT3, die eine derartige Beanspruchung aufgrund ihres niedrigen Siedepunkts definitiv nicht verträgt.

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Rossen Gargolov

Klobige Räder mit schlechtem Gummi.

Fairerweise muss man sagen, dass die bleischweren 22-Zöller mit ihren hölzernen Dunlops, die Importeur Geigercars dem Charger mutmaßlich aus optischen Gründen draufschnallte, der Performance ebensowenig geholfen haben wie seiner Fahrbarkeit. Das Grundproblem liegt dennoch im Kern – in der Basis, die in weiten Teilen aus der vorvorletzten Mercedes E-Klasse stammt, also aus den 90ern. Umso mehr fragt man sich aber, was sie mit dem Gewicht getrieben haben. Ein E 55 AMG der entsprechenden Baureihe W 210, der ja ebenfalls einen V8 zwischen den Backen trug, wog anno 1999 rund 1,7 Tonnen, dieser Charger hier wiegt 416 Kilo mehr! Vierhundertsechzehn! Und es ist jetzt nicht so, dass er vollgestopft wäre mit Assistenztechnologie, die den Unterschied relativieren würde.

Vielleicht erinnern Sie sich: Ich hatte die Hellcat wegen ihrer Zusammensetzung aus dem greisen Gerüst und dem aufgepumpten Motor mal eine Postkutsche mit Hyperraumantrieb genannt – und reichlich Dresche bezogen dafür. Nach diesem Erlebnis sage ich: Das war noch charmant ausgedrückt damals!

Der kleine Kurs ist schon zu groß

Das Tesla Model S P100D ist jedenfalls das bessere Auto, das rundere, um Welten. Auch er ist fahrwerkstechnisch nicht halb so weit entwickelt, wie man das in seiner Hochpreisklasse mittlerweile kennt, aber er erweist sich zumindest in seinen Grundfunktionen als sportlich motiviertes Automobil. Die Runde ist zwar an Langeweile kaum zu überbieten, weil er die Querbeschleunigung mit seiner zwangsaktiven Stabilitätselektronik ebenso resolut unterbindet wie Kraftentfaltung bei Lenkeinschlag. Bleibt man jedoch einen Tick unterhalb dieser künstlichen Leitplanke, bildet sich zwischen der ultraleichtgängigen Lenkung und den Luftfedern tatsächlich ein Hauch von Agilität.

Allerdings bewahrheiten sich auch die Schauergeschichten, die einem das Netz über die komplizierte Beziehung des Model S zu Rennstrecken erzählt. Trotz voller Akkus überdauert die Maximalleistung nicht mal eine Runde auf dem Kleinen Kurs. Die permanente Abfolge aus Vollgas und Vollbremsung bedeutet Stress für die Batterie. Folge: Sie überhitzt und muss Leistung kappen, was allein auf dem Stückchen zwischen Südkurve und Lichtschranke 22km/h ausmacht.

Eine gute Sekunde büßt er so am Ende auf den Dodge Charger Hellcat ein – eher wenig berauschend, für beide Seiten. Dennoch: Der Dodge-Fan lässt sich wohl auch von den gravierenden Fahrdynamikschwächen nicht abhalten, die Hellcat zu verehren – was gut ist. Andersherum wird kein Tesla-Jünger zum V8 konvertieren, bloß weil der besser klingt. Sprich: Die Spannungen zwischen den Lagern werden fürs Erste wohl bestehen bleiben, weswegen ich noch mal auf Kerze und Glühbirne zu sprechen kommen will. Sicher ist Fortschritt nie durch Festklammern an Traditionen entstanden. Jedoch musste die Kerze auch nicht abgeschafft werden, um die Glühbirne durchzusetzen.

Fazit

Tesla Model S P100D gegen Dodge Charger Hellcat: ein Duell mit extrem hoher Leistung auf extrem niedrigem Niveau. Beide sind selbst im Klassenumfeld außergewöhnlich schwer, und beide haben größte Mühe, das Minimalpensum auf dem Kleinen Kurs zu bewältigen. Beim Tesla kommen die Batterien ins Schwitzen, sodass jedes Mal kurz vorm Zielstrich der Schub einbricht; der Dodge wiederum krankt an einem gruseligen Fahrverhalten und einer labilen Bremse, wobei – noch mal – auch der Radsatz eine Rolle spielt. Richtig gut ist nur das Beschleunigungserlebnis – aber das dafür mal so richtig! Der Tesla wird von einer außerirdischen Macht davongetragen, der Dodge prügelt mit V8-Gehämmer davon. Was besser ist? Ach, lassen Sie uns nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.

Technische Daten

Dodge Charger SRT Hellcat Tesla Model S P100D 4x4 P
Grundpreis79.900 €145.420 €
Außenmaße5039 x 1905 x 1480 mm4970 x 1964 x 1445 mm
Kofferraumvolumen894 bis 1792 l
Hubraum / Motor6166 cm³ / 8-Zylinder
Leistung527 kW / 717 PS bei 6200 U/min450 kW / 611 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h250 km/h
0-100 km/h4,4 s3,2 s
Verbrauch19,9 l/100 km0,0 kWh/100 km

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