IFA P 70 Limousine im Fahrbericht: Pappe, die Erste (2024)

Natürlich waren die Leute in der Frühzeit der DDR scharf auf bezahlbare, private Autos. Die staatlichen Stellen gaben dafür Grünes Licht, nachdem die Sowjets ihnen aufgetragen hatten, den ostdeutschen Staat zum Schaufenster für die westliche Welt zu machen.

Der IFA P70 basiert auf dem DKW F8

Untermotorisierte Rollermobile hätten nicht zu diesem hehren Anspruch gepasst. Darum sollte dem seit der Vorkriegszeit in Zwickau gebauten DKW F8 ein zeitgemäßeres Autochen für kleines Geld folgen, das ausreichend Platz für vier Personen bot - der spätere Trabant. Weil es aber an Karosserieblech mangelte und die Investitionen für die Konsumgüterproduktion heruntergefahren wurden, zerbröselte erst einmal die Idee vom DDR-Volkswagen. Den F8-Oldie in Handarbeit weiterzubauen, verbot sich jedoch. Darum fand man zu einer Interimslösung, die überraschend perfekt geriet und später zum IFA P70 werden sollte.

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Die Zwickauer Techniker nutzten die DKW F8-Basis samt angeschraubten Skeletts aus Hartholz weiter, beplankten es aber mit Kunststoff statt mit kunstlederbezogenem Sperrholz. Dabei handelte es sich um Duroplast, im Volksmund "Plaste" genannt. Dieses aus mit Phenolharz getränkten Baumwollabfällen bestehende, exotische Material wurde unter hohem Druck in großflächige Schalen verwandelt und dann aufs Holzgerüst aufgenagelt. Die Ostdeutschen waren damit 1955 die Ersten, die in größerer Stückzahl Kunststoff-Karosserien produzierten.

IFA P70 mit 22 PS

Das Fahrwerk des IFA P70 mit der hinteren Schwebeachse und der Einzelradaufhängung vorn blieb fast das Gleiche wie beim F8. Die um 180 Grad gedrehte Antriebseinheit aus Zweizylinder und Dreiganggetriebe saß aber nun - wiederum quer - vor der Vorderachse des IFA P70. So konnte man den Radstand um stolze 22 cm kürzen und dennoch mehr Innenraum gewinnen. Der schlitzgesteuerte Zweitakter des IFA P70 basiert auf dem F8-Triebwerk, hat aber bereits einen Leichtmetallkopf mit zentraler Zündkerze. Dank höherer Verdichtung und eines neuen Flachstromvergasers erstarkte der 0,7-Liter-Motor des IFA P70 auf 22 PS.

Getriebe und Schaltung kamen ebenfalls vom F8, erst 1959 wich die in Öl laufende Lamellenkupplung einer Zweischeiben-Trockenkupplung. Neu am IFA P70 war die vom größeren Dreizylinder-F9 stammende Lenkung; geblieben war das 12-Volt-Bordnetz mit Dynastartanlage, bei der die Lichtmaschine zugleich als Anlasser fungiert.

Beim IFA P70 steigt man rechts ein

Wer den IFA P70 in Gang setzen will, muss von rechts einsteigen und zum Lenkrad hinüberrutschen - nur die Beifahrertür ist am IFA P70 abschließbar. Diese damals übliche Sicherheitsmaßnahme soll ausschließen, dass man von der gefährlichen Straßenseite das Auto entert. Gestartet wird der IFA P70 mittels eines Anlasserknopfs links unter dem Sicherungskasten, nachdem per Schlüssel für Zündstrom gesorgt wurde. Dann läuft der Zweitakter, zunächst unrund bellend, um schließlich in den typischen Rengdengdeng-Sound zu verfallen.

Das unsynchronisierte Getriebe des IFA P70 lässt sich verblüffend leicht betätigen: Zum Schalten muss nur der altväterliche Krückstockhebel gezogen oder gedrückt und dann nach links oder rechts gedreht werden. Der erste Gang liegt unten links - Vorsicht: Unten rechts legt man den Rückwärtsgang ein, eine Sperre dazwischen fehlt. Für die zweite Fahrstufe zieht man den Schalthebel hoch und dreht ihn nach rechts. Wagt man sich in den dritten, muss der Knauf nach links bewegt werden. Alle Vorwärtsgänge des IFA P70 haben eine Freilauffunktion, die Mechanik stellt den Kraftschluss sofort wieder her, wenn Gas gegeben wird. Selbstverständlich lässt sich der Freilauf sperren - in der Beschleunigungsphase mittels eines kleinen Knebels rechts unter der Instrumententafel.

IFA P70 mit hartem Fahrwerk

Platz für die Füße ist im IFA P70 genügend, links vorn im Fußraum ragt nur der Abblend-Lichtschalter aus dem Boden. Alle Pedale sind stehend fixiert. Die beiden Vordersitze lassen sich längs verschieben, die Lehnenneigung ist allerdings nicht justierbar. Der Tacho des IFA P70 reicht zwar bis 120 km/h, aber mehr als 95 km/h schafft der IFA P70 nicht. Der Verbrauch bei forcierter Fahrweise liegt bei 7 bis 9 Liter/100 km, wobei Öl im Verhältnis 1 : 25 dem Kraftstoff beizumischen ist. Zum Tanken muss die Motorhaube des IFA P70 geöffnet werden - von außen und keineswegs per Bowdenzug von innen her.

Das Fahrwerk des IFA P70 ist ausgesprochen hart, besonders die hoppelnde hintere Schwebeachse versetzt angesichts der ungünstigen Gewichtsverteilung und der schmalen 16er-Reifen gern seitlich um ein paar Zentimeter. Hier hilft nur, beide Hände fest am Lenkrad zu halten. Auch die Bremsen erfordern einen ganzen Kerl - es handelt sich nicht um hydraulische, sondern um mechanische Seilzugbremsen, die via Trommeln den IFA P70 in seinem Vorwärtsdrang zu hindern versuchen.

Im IFA P70 wird es laut

Die Verwindungssteifigkeit ist dank des stabilen und schweren Holzgerüsts für damalige Verhältnisse ohne Fehl und Tadel. Der IFA P70 wiegt wegen seiner Radkästen aus dickem Blech und der keineswegs leichten Duroplast-Beplankung 30 Kilo mehr als der F8. Dass Motor- und Auspuffgeräusch im IFA P70 nahezu ungedämpft im Innenraum wahrnehmbar sind, galt in den 50ern nicht als Kritikpunkt. Der Kofferraum der Limousine ist nicht von außen zugänglich. Dafür lässt sich die Rückenlehne umklappen oder gleich die gesamte hintere Sitzbank herausheben. Das Ersatzrad liegt in einem Extrafach unter dem Heck, das durch Herausnehmen des Stoßfänger-Mittelteils zu erreichen ist. Dazu müssen aber zuvor umständlich zwei Hutmuttern auf den Stoßfänger-Hörnern gelöst werden. Zahlreiche Kunden rüsteten seinerzeit in Eigenregie eine Kofferraumklappe beim IFA P70 nach.

Karger Innenraum

Die Limousine IFA P70 hat vordere Schiebefenster, ab 1957 zählten ausstellbare vordere Dreieckfenster zur Serienausstattung. Anfangs gab’s übrigens noch gegenläufige Wischer, die 1956 Parallelwischern wichen. Die Zierstäbe in den Stoßfängern, im Grill, oben an den Kotflügeln und an den Radläufen sowie die Dachrinnen und Fenstereinfassungen bestehen aus poliertem Aluminium. Und die Scharniere der ebenfalls aus Kunststoff gefertigten Motorhaube sind verchromt.

Der mit Stoffhimmel versehene Innenraum ist nur karg möbliert. Nur der runde Tachometer im Armaturen"brett" aus Kunststoff heischt im IFA P70 um Aufmerksamkeit. Dieses Kombiinstrument enthält eine Fernlichtkontrolle und eine simple Kühlwasser-Temperaturanzeige. Rechts findet sich das Handschuhfach, allerdings ohne Abdeckung. In den Türen sind kunstlederne Ablagetaschen, den Raum zwischen den stoffbespannten Sitzen beansprucht der Handbremshebel.

Nur wenige Limousinen des IFA P70

Nach der anfänglichen Kühlwasserheizung bekam der IFA P70 1956 eine verbesserte Frischluft-Gebläsekrümmerheizung mit Defrosterdüse zum Freiblasen der Scheibe. 1957 folgten bei der Limousine weitere Modifikationen: flachere Türgriffe, neue Flachstromvergaser, langlebigeres, aber weiterhin unsynchronisiertes Getriebe mit "Kupplungsbremse" für leichteres Schalten, leiserer Auspuff mit besserer Gebläseheizung, weichere Federung.

Die Serienfertigung des IFA P70 (intern als F8 K bezeichnet) lief vom 1. Juli 1955 bis 1959. Rund 30.000 Limousinen - sowie knapp 7.000 Kombis und Coupés - wurden ausgeliefert, viele davon in den Export. Die Käufer in der DDR zahlten für die Stufenheckversion sehr stolze 9.250 Mark. Im Gegensatz zum schicken Coupé haben nur wenige Hundert Limousinen überlebt, sie wurden im Alltag brutal verschlissen. Schade eigentlich: Die Szene weiß heute von höchstens zwei Dutzend IFA P70 in gutem Zustand.

Technische Daten

IFA P70 Limousine
Außenmaße3740 x 1500 x 1480 mm
Hubraum / Motor690 cm³ / 2-Zylinder
Leistung16 kW / 22 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit90 km/h

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